Karsten Rudolph, Anrede am 14. Oktober 2019:
„Wir haben uns hier friedlich versammelt, um gegen den Einmarsch türkischer Truppen nach Nordsyrien zu demonstrieren. Dieser Einmarsch stellt eine weitere Eskalation in einem Krieg dar, der bereits über 400.000 Tote gefordert und der über 11 Millionen Menschen in die Flucht gezwungen hat.
Als ob dies nicht reicht, bereitet der türkische Präsident die Weltöffentlichkeit auf eine seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellose ethnische Vertreibung vor. Die angestammte kurdische Bevölkerung soll gegen geflüchtete Syrer, die sich in Lagern in der Türkei befinden ausgetauscht werden. Dies kann nur mit Mitteln der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung geschehen. Die UNO warnt bereits seit Tagen vor einer dramatischen humanitären Katastrophe.
Was hier in Gang gesetzt werden soll, ist ein Verbrechen gegen die Menschheit!
Davor dürfen wir unsere Augen nicht verschließen.
Wir dürfen unsere Augen nicht verschließen, wenn ein solches Unrecht geschieht, wenn so viel Leid über die Zivilbevölkerung gebracht werden soll. Wir dürfen die Augen nicht verschließen, weil wir aus unserer Geschichte gelernt haben. Der verbrecherische Krieg des nationalsozialistischen Deutschlands begann mit ethnischen Vertreibungen hinter denen die Umvolkungspläne der Nazis standen. Wir wissen um die Folgen. Und wir erinnern uns an die ethnischen Säuberungen und Vertreibungen auf dem Balkan. Wir wissen, was passieren kann.
Deswegen dürfen wir unsere Augen nicht verschließen, wenn Verbrechen gegen die Menschheit vorbereitet werden.
Deswegen dürfen wir unsere Ohren nicht verschließen, wenn wir Sicherheitszone hören und doch Deportationsgebiet verstehen können.
Wir wenden uns an die Bundesregierung:
- Wir begrüßen die Einstellung der Waffenexporte in die Türkei.
- Wir fordern darüber hinaus ein generelles Waffenembargo der EU und der NATO!
- Wir wollen, dass die EU sämtliche Beziehungen zur Türkei überprüft und Sanktionen vorbereitet!
Wir wenden uns an die türkische Regierung:
- Stoppen Sie sofort den Einmarsch Ihrer Truppen und ziehen Sie sie zurück. Arbeiten Sie an einer friedlichen Lösung des Konflikts. Versuchen Sie nicht ihre innenpolitischen Probleme mit einer außenpolitischen Aggression zu überdecken. Stellen Sie die Verfolgung von Kritikern Ihres Kriegskurses ein!
Wir wenden uns an die Bürgerinnen und Bürger in der Türkei:
- Wir wissen, Erdogan ist nicht das türkische Volk. Wir sehen, das AKP-Regime verliert immer mehr an Unterstützung. Wir appellieren an die Bürger in der Türkei: Lassen Sie sich nicht weiter in einen Krieg hereinziehen, der schon jetzt Opfer auf allen Seiten kostet!
- Die jungen türkischen Soldaten werden in einen ungerechten Krieg geschickt!
- Der Krieg schadet allen in der Türkei; er macht die Menschen nicht reicher sondern ärmer!
Wir wenden uns aber auch an die eigenen Mitbürgerinnen und Mitbürger:
- Sehen Sie nicht weg! Hören Sie genau zu!
- Denken Sie darüber nach, ob Sie in einem Land beruhigt Urlaub machen können, das einen Krieg gegen die Menschlichkeit führt!
Wir – die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – wollen ein Syrien ohne Assad und ohne IS. Wir fordern eine friedliche Lösung. Wir wollen den Abzug aller fremden Truppen, die Entwaffnung der Bürgerkriegsparteien und eine Friedensmission der Vereinten Nationen.
Dafür stehen wir ein – frei und friedlich. Wir wollen versöhnen statt spalten.“